Änderung des Infektionsschutzgesetzes: heute das Trojanische Pferd.

Heute ist es mal wieder so weit. Inzwischen zähle ich nicht mehr mit, die wievielte Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) es seit Januar 2020 ist. Bei einigen Änderungen gab es deutliche Proteste, ausgedrückt in schriftlichen Stellungnahmen oder durch Demonstrationen unter anderem direkt in Berlin. Teilweise wurde von den Gegnern auch von einem Ermächtigungsgesetz gesprochen.

Vielleicht haben die Proteste etwas bewirkt. Denn die Politik scheint den Umgang mit dem Gesetz zu ändern. Allerdings nicht im Sinne der Kritiker. Was jetzt passiert erinnert mich eher an ein Trojanisches Pferd.

Die Agenda der heutigen Bundestagssitzung enthält um 21:00 Uhr den Punkt „Stiftungsrecht“. Das sieht auf der Website des Bundestages wie folgt aus:

Klickt man auf den Button „zum Artikel“ gelangt man auf die nachfolgende Seite „Abstimmung über die Vereinheitlichung des Stiftungsrechts“, wo auch die zugehörigen Drucksachen verlinkt sind. Im ersten Absatz steht:

Der Bundestag berät am Donnerstag, 24. Juni 2021, eine halbe Stunde lang abschließend über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts (19/28173). Zur namentlichen Abstimmung hat der Rechtsausschuss eine Beschlussempfehlung (19/30938) und einen Bericht (19/31118) vorgelegt.

Interessant wird dann der zweite Absatz auf der Seite:

Die AfD hat verlangt, über Teile des Gesetzentwurfs und über den Gesetzentwurf insgesamt getrennt abzustimmen. Namentlich abgestimmt wird über den geplanten neuen Artikel 9 des Infektionsschutzgesetzes. Dieser besagt, dass eine aufgrund des Infektionsschutzgesetzes erlassene Rechtsverordnung spätestens ein Jahr nach der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag außer Kraft tritt. Bis zu ihrem Außerkrafttreten soll solche Rechtsverordnung auch nach Aufhebung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite geändert werden können.

Erst hier wird einem deutlich, dass es nicht nur um das Stiftungsrecht geht, sondern offensichtlich auch um eine Änderung des IfSG. Und das auch nur, weil die AfD eine getrennte Abstimmung gefordert hat. Ansonsten hätte man erst direkt in der Drucksache (dort übrigens auf den letzten beiden Seiten) gemerkt, dass es neben dem Stiftungsrecht auch um das IfSG geht.

Über was wird abgestimmt? Es sind zwei Aspekte, die in ihrer Bedeutung (mal wieder) eine rote Linie überschreiten.

Dauer von einschränkenden Maßnahmen

Hier geht es um den Artikel 9:

„Eine aufgrund des Absatzes 8 Satz 1 oder des Absatzes 10 Satz 1 erlassene Rechtsverordnung tritt spätestens ein Jahr nach der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Absatz 1 Satz 2 außer Kraft. Bis zu ihrem Außerkrafttreten kann eine aufgrund des Absatzes 8 Satz 1 oder des Absat- zes 10 Satz 1 erlassene Rechtsverordnung auch nach Aufhebung der epide- mischen Lage von nationaler Tragweite geändert werden.“

Also: die epidemische Lage, die gerade eben erst vom Bundestag verlängert wurde und nun bis zum 30. September 2021 gilt, befristet nicht die auf der Basis erlassenen Verordnungen. Diese können dann bis zu einem Jahr danach noch gelten. Das heißt, dass wir nach heutigem Stand vom 30. September 2022 sprechen. Mit anderen Worten: aufgrund einer Notsituation heraus werden Verordnungen verabschiedet, die Grundrechte einschränken. Dann erkennt der Bundestag, dass diese Notlage nicht mehr existiert und die Verordnungen können ein weiteres Jahr Bestand haben.

Einschränkung von Grundrechten

In der aktuellen Version des IfSG sind die Grundrechte aufgeführt, die eingeschränkt werden können. Das sind:

  • Freiheit der Person
  • Versammlungsfreiheit
  • Freizügigkeit
  • Unverletzlichkeit der Wohnung

Diese Liste soll nun ergänzt werden um ein weiteres Grundrecht, was nach dem IfSG dann eingeschränkt werden kann:

  • Körperliche Unversehrtheit

Es werden also zwei wirklich bedeutsame Änderungen am IfSG vorgenommen, das ganze im Tagesordnungspunkt Stiftungsrecht behandelt, dafür insgesamt 30 Minuten vorgesehen und am Ende gemeinsam verabschiedet. Wer hier als Bundestagsabgeordneter nicht laut aufschreit, hat seinen Job, das Volk in einem freiheitlichen Rechtsstaat zu vertreten verwirkt und ist unwählbar.

(Bildrechte: AnBuKu, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons)